Es ist vollbracht! Newsletter vom 2. Juli 2022

Es soweit: unsere Verfassungsbeschwerden wurden fristgerecht beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht!

Warum die Mehrzahl? Vor Gericht kann man nur mit seinem vollen bürgerlichen Namen für seine Rechte eintreten. Für viele Betroffene ist das eine unüberwindliche Hürde. Die Angst vor den möglichen sozialen Folgen der Erkennbarkeit ist einfach zu groß. Trotzdem haben wir zwei Beschwerdeführer gefunden, die bereit waren, diese Hürde zu überspringen. Wir haben dadurch aus der jeweiligen Perspektive des Beschwerdeführers zwei inhaltlich eng verwandte Verfassungsbeschwerden auf den Weg bringen können. Dies zeigt dem Gericht einerseits, dass die Grundrechtsverletzung eine Vielzahl von Personen betrifft, es sichert den Verfahrensverlauf aber auch prozessual besser ab. Wir danken den Beschwerdeführern für ihren persönlichen Einsatz, ohne den eine Verfassungsbeschwerde nicht möglich gewesen wäre.

Um eine professionelle juristische Betreuung finanzieren zu können, waren wir auf Spenden angewiesen. Es ist ein fünfstelliger Betrag im unterem Bereich zusammengekommen, der vor allem von einer Einzelperson aufgebracht wurde, die anonym bleiben möchte. Geld zu sammeln alleine reicht nicht: Man muss es auch ausgeben können, was letztlich nur mit Abstrichen bei der Anonymität möglich ist. Auch hier hat uns eine Einzelperson weitergeholfen, die uns in die Lage versetzt hat, die notwendigen Zahlungen zu leisten.

Es gab auch viele weitere Anstrengungen, die für die Arbeit an der Verfassungsbeschwerde von Bedeutung waren, zum Beispiel der Kontakt mit Bürgerrechtsorganisationen und anderen Personen, die sich für Menschenrechte engagieren, die Beobachtung relevanter Veröffentlichungen in den Medien, die Suche nach einer kompetenten anwaltlichen Vertretung, die Recherche wissenschaftlicher Studien, Nachfragen bei Forschern, Anschreiben an Antidiskriminierungsstellen und vieles mehr. Es gab also unglaublich viel Arbeit hinter den Kulissen und viele, die dazu beigetragen haben und denen wir hiermit danken möchten.

Rückblickend haben wir uns vieles einfacher vorgestellt.

Wie es scheint, darf sich niemand für die Interessen und Menschenrechte der pädophilen und hebephilen Menschen in Deutschland einsetzen. Selbst deutsche Menschenrechtsorganisationen haben Angst vor dem Stigma „Pädophilenfreund“. Es gab kaum eine Bürgerrechtsorganisation, die uns überhaupt geantwortet hat. Hochoffiziell helfen wollte uns niemand, obwohl durchaus ein Bewusstsein für die Problematik geweckt werden konnte. Eine Organisation hat es einem ihrer Mitarbeiter erlaubt, uns auf privater Basis in einer Webkonferenz Tipps zur Vorgehensweise zu geben. Eine andere hat dazu beigetragen, dass das Thema „Puppenverbot“ im Grundrechte-Report 2022, einem gemeinsamen „alternativen Verfassungsschutzbericht“ von zehn Bürger- und Menschenrechtsorganisationen, aufgegriffen wurde.

Fast noch schwieriger und zeitweise regelrecht zermürbend war die Suche nach einem Anwalt. Wir hätten uns nie vorstellen können, dass es so schwierig werden würde, die nötige professionelle juristische Unterstützung zu finden. Wir mussten mit großer Beharrlichkeit an sehr, sehr viele Türen klopfen. Es war uns dabei wichtig, keine faulen Kompromisse in Hinblick auf die Qualifikation zu machen. Mit der Lösung, die wir am Ende dann doch noch gefunden haben, sind wir sehr glücklich. Wir hätten uns keine bessere juristische Betreuung wünschen können.

Zwar glauben wir, hervorragende Argumente zusammengetragen und vorgebracht zu haben die uns gute Erfolgsaussichten bescheren, aber das bedeutet mitnichten, dass wir nun auch fest mit einem Erfolg der Verfassungsbeschwerden rechnen dürfen. Denn das glauben andere Beschwerdeführer sicherlich genauso und werden am Ende fast immer enttäuscht. Das Verfassungsgericht lässt dem Gesetzgeber aus Respekt vor dem Prinzip der Gewaltenteilung generell viel Spielraum und schreitet im Grunde nur ein, wenn es gar nicht mehr anders geht.

Die Erfolgsaussichten vor dem Verfassungsgericht sind grundsätzlich gering. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kann die Annahme einer Verfassungsbeschwerde ohne Angabe von Gründen ablehnen. Das BVerfG hat im letzten Jahr 5.352 Eingänge verzeichnet, wovon 95 Prozent Verfassungsbeschwerden waren. Lediglich 67 davon waren erfolgreich. Damit lag die Erfolgsquote nur bei 1,29 Prozent, was den zweitniedrigsten Wert nach 1997 mit 0,97 Prozent ausmacht. (Quelle der Zahlen LTO vom 23. Februar 2022).

Falls die Verfassungsbeschwerden durch Nicht-Annahme „erledigt“ werden, wissen wir in einigen Monaten Bescheid und können dann entscheiden, ob wir den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anrufen. Falls die Beschwerden zur Entscheidung angenommen werden sollten, ist mit einer Prozessdauer von mehreren Jahren zu rechnen. Für Betroffene ist das eine unfassbar lange Zeit. Selbst im günstigsten Fall werden sie noch auf Jahre unter einer brutalen und ungerechten Gesetzgebung leiden.

Trotzdem und völlig egal wie die Sache enden mag:

Wir haben ein Signal gesendet. Ein Signal an diejenigen, die meinen Menschenrechte mit Füßen treten zu können solange es die Menschenrechte von Pädophilen und Hebephilen sind. Wir leisten Widerstand und wehren uns! Und das ist zugleich auch unser Signal an alle Pädophilen und Hebephilen: So schwierig es auch sein mag, wir können zusammenstehen und uns wehren. Zusammen schaffen wir es! Wir sind dabei auch nicht völlig allein. Man muss sie suchen und dabei Ausdauer beweisen, aber es gibt sie: Andere Menschen, die sich des gewaltigen Stigmas rund um Pädophilie und den Kontakt mit Pädophilen bewusst sind und trotzdem bereit sind, sich für eine als gerecht erkannte Sache einsetzen.

Jeder Anfang ist schwer. Aber wie Hermann Hesse in seinem Gedicht „Stufen“ schreibt: „jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“

Mehr als ein Jahr haben wir intensiv auf diesen Tag hingearbeitet. Eine Arbeit voller Höhen und Tiefen. Wir haben eine Stufe bewältigt. Wir sind bereit für weitere.

Etwas Sorge macht die Entwicklung in Österreich. Dort arbeiten Gruppen daran, dass das „Kindersexpuppen-Verbot“ aus Deutschland übernommen wird. Wir werden jeden unterstützen, der gegen das drohende Verbot vorgeht. Ihr müsst nicht bei Null anfangen. Kontaktiert uns unter team@gegen-das-puppenverbot.de. Wir stehen an Eurer Seite!

Auch darüber hinaus möchten wir alle ermutigen: Es ist schwierig aber nicht unmöglich etwas zu tun, sich zu wehren, sich Gehör zu verschaffen. Helft einander, habt Hoffnung und haltet durch, auch wenn es Fehlschläge und Enttäuschungen auf dem Weg gibt. Aus eigener Erfahrung: Wer sich auf den Weg macht kann auch irgendwann zurückschauen und stolz sein.

Das Puppenverbot

Am 01.07.2021 ist ein neues Gesetz in Kraft getreten, welches unter anderen den bisher straffreien Besitz und Verkauf von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild unter Strafe stellt. Eine kindliche Sexpuppe ist dem Gesetz zu Folge eine "körperliche Nachbildung eines Kindes oder eines Körperteiles eines Kindes, die nach ihrer Beschaffenheit zur Vornahme sexueller Handlungen bestimmt ist." Der angedrohte Strafrahmen liegt bei bis zu drei Jahren Haft für den Erwerb und Besitz, und bei bis zu fünf Jahren für den Handel (§ 184l StGB).

Dabei steht dieses Verbot verfassungsrechtlich auf äußerst wackeligen Füßen. Die Motivation für das Verbot ist ein instinktiver Ekel und Abscheu, den viele Menschen bei dem Thema empfinden. Ein Rechtsstaat muss aber konkrete Rechtsgüter schützen, und darf nicht aufgrund individueller Ekelgefühle mit harten Kriminalstrafen reagieren. Dass die Nutzung kindlicher Sexpuppen bei pädophilen Menschen die Hemmschwelle für realen Missbrauch senken würde, wird zwar häufig als Grund für ein Verbot genannt, ist aber wissenschaftlich nicht belegt.

Vom Gesetzgeber heißt es dazu, mit dem Verbot von kindlichen Sexpuppen solle ein "Signal für die Gesellschaft ausgehen, dass Kinder – seien sie auch nur körperlich nachgebildet – nicht zum Objekt sexueller Handlungsweisen gemacht werden dürfen." Wenn damit aber auch Verhaltensweisen und Umgangsformen kriminalisiert werden, in denen gar keine realen Kinder involviert sind, geht es längst nicht mehr um den Schutz von Kindern, sondern um ein Gesinnungsstrafrecht, welches Gedanken und Fantasien strafrechtlich verfolgt.

Zu guter Letzt ist gar nicht klar, was mit dem Gesetz überhaupt unter Strafe gestellt wird. Es gibt keine juristischen Definitionen dazu, ab wann eine Puppe eine "körperliche Nachbildung eines Kindes" ist. Ebenso wenig ist klar, ab wann eine Puppe zur "Vornahme sexueller Handlungen bestimmt" ist. Damit führt das Verbot eine gewaltige Rechtsunsicherheit ein, von der potenziell Hunderttausende Menschen in Deutschland betroffen sein können.

Unser Anliegen: das Verbot kippen!

Mit dem Verbot wird eine unschädliche Ersatzhandlung kriminalisiert. Mehr als Ersatzhandlungen stehen pädophilen Menschen zur Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse nicht zur Verfügung. Eine der wenigen legalen Ersatzhandlungen mit Strafandrohung zu verbieten ist deshalb ein sehr starker Eingriff. Im Ergebnis werden damit Menschen kriminalisiert und mit Haftstrafen bedroht, die nie einem Kind etwas antun und Wege suchen, keinen Kindern zu schaden. Es ist extrem wichtig, dass es für diese Menschen geschützte Alternativen gibt, die ein Leben ohne Kriminalisierung ermöglichen.

Wir haben deshalb eine Arbeitsgruppe gegründet, um mit einer Verfassungsbeschwerde gegen das Verbot vorzugehen. Das einzige Ziel der Arbeitsgruppe ist, das neue, aus unserer Sicht schädliche Verbot wieder zu kippen.

Warum das Verbot falsch ist

Fehlende Evidenz

Das Verbot wurde damit begründet, dass Hemmschwellen für realen Missbrauch gesenkt würden. Dafür gibt es keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis, alle Indizien zeigen eher in die Gegenrichtung. Die Bundesregierung zeigt bis heute keinerlei Interesse an der Erforschung dieses Themas.

Humane Sexualität

Gesetze zum Kinderschutz müssen auch die Lebensrealitäten pädophiler Männer und Frauen berücksichtigen, die einen Umgang mit ihrer Sexualität suchen, ohne Anderen zu schaden. Das Puppenverbot nimmt diesen Menschen eine der wenigen verbliebenen Ersatzhandlungen ohne Kompensation weg.

Emotionen statt Fakten

Viele haben das Verbot unterstützt, weil sie den Gedanken an kindliche Sexpuppen widerlich finden. Eingriffe in die Freiheitsrechte und Privatsphäre einzelner Menschen müssen aber wohlbegründet sein. Der persönliche Ekel einer Person darf kein hinreichender Grund sein, um in die Freiheitsrechte anderer Personen einzugreifen.

Verletzung der Privatsphäre

Das Gesetz stellt einen massiven Eingriff in die Privatsphäre vieler Menschen dar. Was jemand in seinen eigenen vier Wänden macht, muss in einem Rechtsstaat vor staatlichen Eingriffen geschützt sein, solange Andere nicht zu Schaden kommen. Dies ist bei der Nutzung von Puppen nicht gegeben.

Gesinnungsstrafrecht

Mit dem Verbot von Puppen werden pädophile Gedanken und Fantasien, ausgelebt an leblosen Objekten, kriminalisiert. Strafbar ist also nicht mehr ein real entstandener Schaden, sondern die vermuteten Gedanken einer Person. Dies ist ein gefährlicher Schritt in Richtung Gedankenverbrechen und Gesinnungsstrafrecht, und damit schon im Grundgedanken einer Demokratie nicht würdig.

Bestimmtheitsgebot

Das Grundgesetz fordert, dass Gesetze klar formuliert sein müssen: Was strafbar und was straffrei ist, muss klar und eindeutig bestimmt sein. Die Formulierung des Puppenverbots lässt aber mehrere Fragen offen: ab wann ist eine Sexpuppe die Nachbildung eines Kindes? Fallen auch Bereiche wie z. B. Reborn-Puppen oder medizinische Übungspuppen darunter, die theoretisch auch für sexuelle Zwecke genutzt werden können?

Stimmen gegen das Verbot

Ein Verbot muss begründet werden, und dies erfordert es, die Lebensrealitäten pädophil oder hebephil veranlagter, aber gesetzeskonform lebender Menschen zur Kenntnis zu nehmen, die anstreben, mit ihrer sexuellen Neigung zurechtzukommen, ohne Kinder zumissbrauchen. […] Es ist erschreckend und einer rechtsstaatlichen Rechtsordnung nicht angemessen, dass auf der Basis von wenigen Sätzen mit nicht recherchierten Aussagen zu menschlichem Verhalten Kriminalstrafe eingeführt werden soll.

Die Gesetzesbegründung liefert keinerlei Beweise für diese Behauptung. […] Per se beeinträchtigen solche Praktiken keine geschützte Rechtsposition. Letztlich soll hier nur noch ein unmoralisches Verhalten pönalisiert werden: Pädophilie ist unmoralisch, folglich muss das Ausleben autoerotischer pädophiler Phantasien auch dann bestraft werden, wenn es niemandem schadet. Ungeachtet dieser dünnen Legitimationsbasis begegnet die Norm erheblichen Bedenken im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG. Es ist nämlich unklar, woran man im Zweifel das kindliche Erscheinungsbild einer Puppe oder eines Körperteils erkennen können soll. Angesichts der Vielfalt an diversen Sextoys darf man schon jetzt darauf gespannt sein, wie die Gerichte ihre exakte tatbestandsmäßige Größe bestimmen werden.

Es ist eine Fehlvorstellung, zu glauben, wer eine solche Puppe hat, der wird pädophil oder begeht Kindesmissbrauch. Die Frage, ob jemand zum Täter wird, entscheidet seine Persönlichkeit, nicht seine Sexualpräferenz und eine genutzte Stimulation.

Die gnadenlose und zugleich wirklichkeitsfremde Perspektive spiegelt sich beispielsweise im neuen § 184I StGB. Er stellt das Inverkehrbringen und den Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild künftig unter Strafe. Das Argument dabei, Täter:innen könnten damit den Missbrauch einüben und die Hemmschwelle für reale Übergriffe sinken. Aus meiner Erfahrung als Fachanwältin für Strafrecht bei Sexualdelikten erscheint mir dieser Paragraph absurd und völlig übertrieben. Genauso denkbar wäre, dass eine Sexpuppe ein Ventil sein könnte und Übergriffe zu vermeiden hilft.

Der Besitz von Kindersexpuppen wird kriminalisiert, ohne dass eine Gefährdung von Kindern ersichtlich wäre oder droht. In der Praxis wird sich zeigen, [...] welche Probleme sicherlich nicht gelöst werden: Nämlich die Verhinderung von Straftaten und der bessere Schutz von Kindern.

Schon der bloße Besitz so einer Puppe soll mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden. Das ist in der Tat ein „Signal“. Nämlich für einen gewissen Kontrollverlust bei den Verantwortlichen, was die Verhältnismäßigkeit von Strafdrohungen angeht.

Männer, die sich zu Kindern hingezogen fühlen, haben kein angemessenes Ventil für ihren Sexualtrieb, und das wird ihr ganzes Leben lang so bleiben. Für jemanden, der nicht darum gebeten hat, pädophil zu sein und der keine romantischen und sexuellen Beziehungen wie der Rest von uns haben kann, ist das einzige Ventil, das er hat, die Masturbation. Es ist grausam von der Gesellschaft, selbst das zu behindern, wenn es keinen nachgewiesenen gesellschaftlichen Nutzen gibt.

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